Kommunikationswissenschaftlerin Fachbeirat der St. Leonhards Akademie Gesundheits-, Umwelt-Journalistin Expertin für Berufungsberatung

Warum die spirituelle Begleitung von Erkrankten so wichtig ist


Dass Körper, Geist und Seele in der Heilung zusammenhängen ist wohl bekannt, doch dass auch die Spiritualität für die Gesundheit eine bedeutende Rolle spielt, dass haben nur wenige im Gesundheitswesen auf dem Schirm. Darauf aufmerksam macht das Projekt „Spiritual / Existential Care interprofessionell (SpECi)“, welches engagierte Fachleute aus der Medizin, Pflege, Therapie, Sozialarbeit und Theologie unter der Leitung von Dr. Astrid Giebel und Prof. Dr. med. Arndt Büssing gegründet haben. Ihr Ziel ist, dass Mediziner und Pflegepersonal mehr Zeit für die seelischen Belange von Patienten haben, insbesondere bei schwer Erkrankten, alten Menschen und auf Palliativstationen. Auf Initiative unseres Kooperationspartners Health Care Bayern e.V., dem größten Netzwerk im bayerischen Gesundheitswesen, referierten die beiden Experten für spirituelle Gesundheit zusammen mit Dr. med. Marianne Kloke auf der Online-Veranstaltung „Spiritual Care: Der Einfluss des Glaubens auf die Heilung“ über Spiritualität – als vierte Dimension der Gesundheit und deren Berührungspunkte für Mediziner, Pflegende und Ehrenamtliche sowie Patienten und Angehörige. Hier die Zusammenfassung dieses wichtigen Thema für spirituelle Gesundheit.


1. Spirituelle Bedürfnisse und Lebenssinn in der Krankheit
2. Spiritualität bzw. „Spiritual Care“ in der Medizin und Pflege
3. Die besondere Rolle von „Spiritual Care“ bei Sterben und Trauer
4. Spirituelle Kraftquellen für Heilung und Trauerverarbeitung
5. Das SpECI-Programm „Spiritual Care“ als eine Basis der Medizin
6. Fazit 


Spirituelle Bedürfnisse und Lebenssinn in der Krankheit


Spiritualität und Gesundheit – hängen diese beiden Lebenssäulen überhaupt zusammen? JA sagen die Initiatoren von Spiritual Care (SpECi) und das aus gutem Grund. Prof. Dr. med. Arndt Büssing – Professor an der Universität Witten/Herdecke – ist es ein besonderes Anliegen dafür zu sensibilisieren, dass gerade in Zeiten von Krankheit, Leid und Sterben die geistig-spirituelle Unterstützung zentral wichtig sei. Die seelischen Schmerzen hinter den körperlichen Schmerzen fänden oft keine Möglichkeit beachtet und besprochen zu werden. Finden hingegen Menschen durch das Gespräch mit den Seelsorgenden eine Antwort, welcher tiefere Sinn hinter ihrer Krankheit stecke, so führe das oft zu einem ganz anderen Umgang mit ihrem Leiden. Bestenfalls zur Gesundung, bei Palliativ-Patienten zum inneren Frieden. Auch könnten Patienten erkennen, dass aus den dunklen Phasen im Leben – der Krise und Krankheit –  sich auch eine Chance entwickeln kann, um daraus seelisch-geistig-spirituell zu wachsen. Können sich die Mediziner, Pflegenden und Sozialdienste also die Zeit für „Spiritual Care“ nehmen, unterstützen sie ihre Patienten weitaus mehr, als es im Gesundheitswesen bewusst ist.


Spiritualität bzw. „Spiritual Care“ in der Medizin und Pflege


Das Erschaffen eines Rahmens der Vertrauensebene für die spirituelle Begleitung der Patienten sei daher ein wichtiges Ziel für das Gesundheitswesen, für welches sich Prof. Büssing mit „SpECi“ beherzt engagiert. Das Ziel müsse sein, die Spiritualität in der Medizin und Pflege bereits in die medizinische Ausbildung zu integrieren und zu einem selbstverständlichen Teil der medizinischen Versorgung von Patienten zu implementieren. Dazu gehöre auch der Fokus, den Menschen als integriertes Ganzes aus Körper – Geist – Seele zu betrachten, um damit auch die spirituelle und psychosoziale Dimension der Erkrankung zu berücksichtigen. Es müsse die Zeit und die geschulte Kompetenz bei den Ärzt:innen und Pflegenden vorhanden sein, die existenziell-spirituellen Bedürfnisse der Patienten zu erkennen und sich ihnen zu widmen. Sie müssten die Möglichkeit haben und sich die Zeit nehmen können, dem Patienten zuzuhören, das Gespräch zu suchen, nachzufragen, ob es spirituelle Bedürfnisse gibt. Denn gerade schwerkranke Patienten, alte Menschen oder Palliativ-Patienten haben viel höhere Bedürfnisse für „Spiritual Care“ als gesunde, jüngere oder weniger kranke Menschen. Eine ganz besondere Phase ist dabei das Lebensende, wenn Fragen nach dem „und was kommt dann?“ oft unbeantwortet im Raum stehen. Gerade dann vertrauen sich Patienten in ihren schwierigsten Stunden oft sogar lieber den medizinischen Fachleuten an, weil sie ihre Angehörigen nicht belasten wollen.


Die besondere Rolle von „Spiritual Care“ bei Sterben und Trauer


Dr. med. Marianne Kloke – Direktorin am Institut für Palliative Care an den Kliniken Essen-Mitte – referierte über diesen noch tiefgreifenderen Bereich von „Spiritual Care“, dem Thema Sterben, Tod und damit verbunden Verlust und Trauer. Die Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross entwickelte ein „5-Phasen-Modell“ für den Sterbeprozesses sowie die Trauerverarbeitung. Demnach spiele hier die spirituelle Begleitung der Patienten und Angehörigen eine noch größere Rolle. Spätestens wenn das Leben endet oder die Endlichkeit des irdischen Lebens unausweichlich begriffen wird, brechen Menschen oft zusammen, denen eine spirituelle Dimension fehlt. Bei Patienten, die ihr Lebensende vor Augen haben, ist der spirituelle Sinnbezug eine wichtige Säule innerlich loszulassen und sich der Transzendenz hinzugeben. Das Wissen, dass sie guten Gewissens aus diesem Leben scheiden und in eine andere Dimension hinübergehen können, hilft beim Loslassen. Hier hat „Spiritual Care“ neben der klassischen Seelsorge eine enorm wichtige Aufgabe. Ebenso wichtig ist dieUnterstützung der Angehörigen unmittelbar nach dem Ableben des geliebten Menschen. Die Trauerbegleitung ist essenziell für die psychische Unterstützung der Angehörigen, was auch die Zahlen von Menschen mit langanhaltender Trauer als dauerhafte Krankheit beweisen. Neben professionellen Trauerbegleitern, oder im Fall chronischer Trauer sogar trauerspezifischen Psychotherapeuten, sei die „Spiritual Care“-Unterstützung in den Stunden des Sterbeprozesses und Todes, d.h. des Loslassens entscheidend wichtig für die Angehörigen. Wer hier eine spirituelle Dimension zur Verfügung hat, könne den traumatischen Prozess viel besser verkraften.


Spirituelle Kraftquellen für Heilung und Trauerverarbeitung


Über dieses Thema sprach Dr. Astrid Giebel – Theologin und Dozentin bei der Diakonie Deutschland – auch aus ihrer weitreichenden Erfahrung. Spiritualität sei die „Vierte Dimension der Gesundheit“ und werde für die Patienten erfahrbar durch das richtige Wort zur richtigen Zeit, durch das Mitgefühl, die Güte, die Liebe und die Zuwendung der Mediziner und Pflegenden. Gerade in psychischen Grenzsituationen käme es auf den seelischen Beistand in existenzieller Not an und dieser existenzielle Beistand müsse Teil des Therapie- und Palliativ-Konzepts im Gesundheitswesen sein. Als besondere spirituelle Kraftquelle nannte Frau Dr. Giebel z.B. den TROST, einen von der Psychotherapie und Medizin oft vernachlässigter Heilfaktor erster Ordnung. Trost unterstütze die Selbstregulationskompetenz des Patienten und helfe auch Sterbenden wie Angehörigen das Leid und die Belastung zu lindern. Ebenso wie die HOFFNUNG, einer der wichtigsten Anker unserer Seele. Frau Dr. Giebel wies darauf hin, dass kleine Worte des Trostes eine so große psychische Wirkung erzielen, die im Heilungsgeschehen wie auch im Bewältigungsprozess von Sterben und Trauer immanent wichtig seien.


Das SpECI-Programm „Spiritual Care“ als eine Basis der Medizin


Das von der Deutschen Gesellschaft für Palliative Medizin zertifizierte SpECi-Ausbildungskonzept beinhaltet diese wichtigen Säulen spiritueller Medizin. In 10 Modulen und 40 Unterrichtseinheiten werden die Kompetenzen des „Spiritual Care“ vermittelt, wozu die folgenden Themen gehören: Spiritualität bei Gesundheit und Krankheit – Spirituelle Bedürfnisse und Spiritual Care-Kompetenzen – Existenzielle Bedürfnisse wahrnehmen – Spirituelle und existenzielle Kommunikation –  Achtsamer Umgang mit Patienten –  Ist die Seele im Lot? erkennen – Verlust und Trauer begegnen – Spirituelle Kraftquellen und Ressourcen – Hilfereiche Rituale bei Krankheit und Trauer. Das Curriculum zielt auf eine achtsamere und veränderte Haltung der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen und eine umfassende Betrachtungsweise von schwerkranken und sterbenden Menschen. In dem Buch „Spiritual Care & Existenzial Care Interprofessionell – Handbuch spiritueller und existentieller Begleitung in der Gesundheitsversorgung“ (Springer Verlag) findet man eine Zusammenfassung dieses Curriculums und Themas.


Fazit des „Spiritual Care“ Konzepts


Zusammenfassend daher ein wesentlicher Gedanke: Krankheit und Krisen, Sterben und Tod sowie Trauer und psychische Belastungen gehören zu unserem Leben. Auch wenn wir diese Themen verdrängen, kommen sie irgendwann auf uns zu. Die spirituelle Dimension unterstützt uns, diese schweren Zeiten im Leben zu begreifen und zu nutzen, um innerlich zu wachsen. Sie unterstützt uns, einen Sinn im Leben zu finden, Liebe und Mitgefühl zu leben und erfahren sowie uns auf die Transzendenz in andere, körperlose Dimensionen vorzubereiten. Insofern können wir das Werden und Vergehen, das Wachsen und das Sterben, die Geburt und den Tod als Teile des Lebens begreifen, die uns in erster Linie als Seelen und spirituelle Wesen in einem Körper wahrnehmen lassen. Die Spiritualität hilft uns dabei, unser eigenes Leben zeitlebens zu nutzen, um als spirituelle Wesen die Essenz unseres Lebens zu fokussieren, die da ist die Liebe – im Diesseits wie im Jenseits.



weitere Informationen über das SpECI-Programm „Spiritual Care“

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