Heilpraktikerin


Einführung
Gehirn, Evolution und die Neuzeit
Gesundheitliche Auswirkungen
Wege aus dem Teufelskreis oder Sonnenaufgang
Fazit




Einführung


„Doom“ ist das englische Wort für Untergang, scrolling bedeutet blättern oder längst eingedeutscht scrollen, am Computer oder Handy nach unten „blättern“. Doomscrolling oder auch Doomsurfing ist also die Suche nach schlechten Nachrichten, und zwar zu oft, zu viel, bis in den gesundheitsschädlichen Bereich.


Früher gab es die 8-Uhr-Nachrichten im Fernsehen und im Radio stündlich die Nachrichten. Heute haben wir 24/7 Nachrichtenströme auf allen Medien, frei und immer zugänglich. Und diese Kanäle müssen gefüllt werden. Mensch springt naturgemäß eher auf schlechte oder bedrohliche Nachrichten. Wie oft hört man sich an, dass die Gänseblümchen schon blühen oder es an der Westküste Frankreichs einen schönen Sonnenuntergang gibt?


Der Begriff Doomscrolling entstand insbesondere während der Coronapandemie, aber auch während der Präsidentschaftswahl der USA 2020 oder aktuell bei den Ereignissen in der Ukraine ist es ein Thema. Es entsteht ein Informationssog, aus dem man manchmal nicht mehr ausbrechen kann. Es kommt zu einer Informationsüberlastung und einer damit verbundenen emotionalen Erschöpfung. Jedes Lesen negativer Nachrichten löst im Körper Stress aus, aktiviert das Alarmsystem. Irgendwann kann es ein Teufelskreis werden, der zu Ängsten, Depressionen und Erschöpfung führt.


Gehirn, Evolution und die Neuzeit


Es ist ein evolutionäres Überlebensprinzip, Gefahren zu erkennen, um mit Kampf oder Flucht reagieren zu können. Wenn ein Säbelzahntiger auf mich zukommt, der so aussieht, als ob er noch nicht gefrühstückt hat, interessieren mich die bunten Blumen vor meinen Füßen überhaupt nicht. Mein Gehirn blendet sie aus und schaltet in den Kampf- oder Flucht-Modus, indem es Stresshormone ausschüttet. Danach geht es ab auf den nächsten Baum.


In der heutigen Zeit leben wir in einer lange währenden Friedensphase, Kriege finden immer ganz weit weg statt und die Beute wartet schön verpackt in den Supermarktregalen. Bedrohlich sind also heute Szenarien, die diese Komfortzone erschüttern könnten. Finanzielle Bedrohung, emotionale Auseinandersetzungen, der Chef übernimmt die Rolle des Säbelzahntigers (nur dass wir nicht auf einen Baum abhauen können), Krankheiten – oder eben ein Krieg, der diesmal näher ist. Und selbst wenn wir nicht selber im Kugelhagel stehen, kann er Veränderungen bringen, die unser Leben verändern. Global bedrohliche Szenarien nehmen im Moment zu.


Dazu kommen die Kriegserlebnisse des letzten Jahrhunderts, die einige noch persönlich miterlebt haben. Verdrängte Erinnerungen werden reaktiviert und die Familiensysteme tragen diese Gefühle mit. Wenn also der Opa im Krieg war, können die Enkel die Ängste und Schrecken verinnerlicht haben, ohne je an der Front gewesen zu sein – Stichwort Transgenerationale Übertragung.


Während unsere urzeitlichen Vorfahren bewusst wachsam durch die Gegend liefen, ist es uns heute normalerweise nicht bewusst, dass wir solche negativen Informationen suchen. Eine Gefahr zu kennen, erzeugt manchmal das Gefühl von vorbereitet sein oder sich dagegen verteidigen zu können. Die Suchmaschinen in den Social-Media-Plattformen verzerren aber das Bild, da sie die Inhalte erkennen, die wir suchen und uns dann immer mehr gleichartige Inhalte anbieten. Unser Blick auf die Welt wird – von uns unbemerkt – eingeschränkt auf negative und bedrohliche Szenarien. (1)


Gesundheitliche Auswirkungen


Wer bereits psychische Probleme hat, kann durch das längere Scrollen im Nachrichtendickicht eine Verschlechterung seiner Stimmung erleben, Ängste und Depressionen können verstärkt werden. Das Doomscrolling kann zwanghafte Züge annehmen und sogar Panikattacken auslösen.


Wer früher bedrohliche Situationen erlebt hat, kann die alten Gefühle reaktivieren. So vermischen sich vergangene Erlebnisse mit heutigen Ereignissen in der Welt. Ein Mensch kann darin gefangen sein und Flashbacks, Albträume oder körperliche Symptome entwickeln. Grübelschleifen und Rückzug können den Effekt noch verstärken.


Durch die Aktivierung des Stresssystems ist unser Körper in ständiger Alarmbereitschaft. Das kostet Ressourcen und Kraft. Entspannung findet immer weniger statt. Der Effekt kann ähnlich wie bei einem Burnout sein, wenn noch andere Belastungsfaktoren dazu kommen.



Wege aus dem Teufelskreis oder Sonnenaufgang


Es gibt eine Studie, in der Psychologen in Zusammenarbeit mit der Huffington Post Teilnehmer und ihre Reaktion auf Nachrichten untersuchten. Wer morgens drei Minuten lang negative Nachrichten sah, erlebte mit einer um 27 % erhöhten Wahrscheinlichkeit einen schlechten Tag. Die Vergleichsgruppe, die lösungsorientierte Nachrichten sah, berichtete in 88 % der Fälle von einem guten Tag. (2)


Wenn man trotzdem immer wieder doomscrollt und nicht aufhören kann, gibt es ein paar Tipps, wie man Cyberhygiene betreiben kann und den Nachrichtenkonsum verringert.



  • Das Doomscrolling als Problem erkennen und sich die Auswirkungen bewusst machen.

  • Zeitlimits setzen und ggf. den Handywecker stellen.

  • Bereiche schaffen, in denen keine Technik ist oder angewendet wird. In der Küche beim Essen wird nicht nebenbei gescrollt und im Schlafzimmer muss man die Geister für zukünftige Albträume auch nicht beschwören.

  • Wenn die Verringerung des Nachrichtenkonsums nicht klappt, kann ein völliger Entzug eine Möglichkeit sein, ein digitaler Detox. Ersatzbeschäftigungen suchen, die positiver sind oder unterstützende Freunde aktivieren.

  • Ersatzthemen finden. Konstruktiv und mit Spaß Informationen sammeln zu interessanten Themen, ggf. mit Gruppen. Naturfilme oder Dokus schauen, es gibt wirklich viel Sehenswertes im Netz.

  • Beobachte dich beim Scrollen. Welche Gefühle entstehen in dir, wie geht es dir damit? Wie lange beschäftigt dich das und wie beeinflusst es deinen Tag? Mache dir bewusst, wie oft du scrollst. Schreibe auf, wie viel Zeit du damit verbringst – und was könntest du in der Zeit stattdessen tun?

  • Mach dir deine Ängste bewusst und überlege, ob du bestimmte Strategien planen willst, falls wirklich etwas passiert. Wenn das nicht im Panikmodus passiert, kann es konstruktiv sein und du hast das Gefühl, dass du vorbereitet bist. Broschüren gibt es sogar von der Bundesregierung. (3)

  • Es gibt Kontroll-Apps und Software-Anwendungen, die das Zeitmanagement auf Social Media unterstützen und den Zugang beschränken.

  • Beginne den Tag mit einem positiven Eindruck. Das kann ein Bild sein, das dich berührt oder ein Buch, das dich motiviert (wenige Zeilen können reichen). Schließe den Tag ebenso ab.

  • Wenn dich der Doom packt, lass dich nicht mitreißen. Bleibe im Handeln, tue etwas. Das kann etwas im Haushalt sein, einen Freund anrufen, einen Spaziergang machen, Sport machen. Dabei können die Gedanken fließen, aber du versinkst nicht in ihnen und verlierst nicht den Bezug zu deinem Alltag.

  • Meditation und Achtsamkeitsübungen können helfen, Gedanken und Gefühle zur Ruhe kommen zu lassen. (4) (5)



Fazit


Oft merken wir gar nicht, dass wir in etwas hinein gerutscht sind, das uns Kraft und Energie raubt. Die Suchverläufe manipulieren unser Weltbild und können uns so gefangen nehmen. Wenn wir erkennen, dass unser Problem nicht in der bedrohlichen Welt liegt, sondern sich in uns verselbstständigt hat, können wir daran arbeiten und wieder erfüllter und friedlicher leben.


Auf einen Blick


  • Doomscrolling ist eine ungesunde Sucht nach negativen Nachrichten

  • Beim Doomscrolling wird der Körper in einen Alarmzustand versetzt

  • Evolutionär hat uns Kenntnis vor Gefahren geschützt, heute erhalten wir von den Medien ein verzerrtes Bild durch die Suchmaschinen

  • Doomscrolling kann psychische Probleme verstärken

  • Cyberhygiene und positive Alltagsplanung können den Teufelskreis durchbrechen

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