Heilpraktikerin

Einführung
Klett und Teflon
Zeit und Intensität
Gehirnmodus und Neuroplastizität
Die Methode von Rick Hanson
Fazit


Einführung


Warum beschäftigen uns negative Gedanken und Gefühle meistens intensiver und länger als positive? Obwohl es uns tierisch auf den Senkel geht? Der Neuropsychologe und Meditationslehrer Rick Hanson hat die Vorgänge im Gehirn erforscht und eine verblüffend einfache Methode entwickelt, bei der positive Erfahrungen und Erlebnisse dazu genutzt werden, das Gehirn strukturell so zu verändern, dass wir uns insgesamt zufriedener und glücklicher fühlen.


Klett und Teflon


Evolutionär ist unser Hirn dafür verantwortlich, dass wir überleben und die Art erhalten. Von guter Stimmung hat da noch keiner was gesagt. Der T-Rex und die Magenkrämpfe nach dem Verzehr einer giftigen Pflanze hauen da schon anders rein. Unser Gehirn speichert diese Erfahrungen, um in Zukunft Gefahr zu vermeiden oder schneller reagieren zu können. Was wir heute „negativ“ nennen, war in unseren Anfängen als Mensch oft lebensbedrohlich, geblieben sind in unserer zivilisierten Welt meistens nur noch unangenehme Gefühle und Gedanken, die sich wie Klettpflanzen in unseren neuronalen Hirnstrukturen verfestigen.


Duftende Blumen oder ein gutes Essen, Treffen mit Freunden perlen dagegen ab wie bei Teflon. Wir genießen diese Momente zwar, doch in unserem Gehirn hinterlassen sie meistens wenig Spuren. Selbst kleine Kränkungen oder Misserfolgserlebnisse dagegen führen im Gehirn zu dauerhaften neuronalen Verknüpfungen. Hanson nennt das „Negativvorurteil“ des Gehirns oder „negative Verzerrung“. Diese neuronalen Trampelpfade im Hirn graben sich immer tiefer und bestimmen unsere subjektive Wahrnehmung unserer Welt.


Zeit und Intensität


Ein anderer wesentlicher Punkt ist die Zeitdauer und die Intensität, mit der wir etwas erleben. Wir alle kennen Erlebnisse, die – egal ob positiv oder negativ – so intensiv waren, dass sie sich in uns eingebrannt haben. Ob der erste Kuss oder ein Unfall, die Intensitätsschwelle war so hoch, dass die Erinnerung ein rotes Fähnchen bekommen hat.
Negative Erfahrungen verknuspert unser Gehirn in Rekordgeschwindigkeit. Wenn vor dir ein Raubtier steht, muss es schnell gehen oder es ist keiner mehr da, der sich was merken könnte. Der Kampf- und Fluchtmodus wird aktiviert und ab auf den nächsten Baum.


Bei positiven Erfahrungen ist das nicht so. Positive Erfahrungen brauchen 10 – 20 Sekunden intensives oder bewusstes Erleben, um gespeichert zu werden. Einen guten Kaffee „genießen“, daneben Handy gucken oder in Gedanken beim nächsten Termin – der Kaffee hinterlässt im Gehirn keinen bleibenden positiven oder entspannenden Eindruck. Den Kaffee bewusst genießen und das über mindestens 10 – 30 Sekunden führt zu einem Wohlgefühl, das Entspannung und einen Heilungs-Ruhe-Modus auslösen kann.


Wenn wir uns also Zeit nehmen, schöne Dinge wirklich in uns wirken zu lassen, hinterlässt das die Spuren, die wir haben wollen. Hanson nennt das „Take in the Good“ – das Gute in sich aufnehmen.


Gehirnmodus und Neuroplastizität


In unserer heutigen Zeit ist die Risikoerfassungsantenne unseres Gehirns manchmal eher hinderlich, wenn man bedenkt, dass wir eigentlich zufrieden und glücklich sein wollen. Immer mehr Multitasking und Zeitdruck in Kombination mit Bewegungsmangel sorgen für ein Vollbad in Stresshormonen, wobei der Bewegungsmangel die Auswirkung hat, den Abfluss in der Badewanne quasi zu verstopfen. Die Stresshormone werden nicht wie früher durch eine Kampf- oder Fluchthandlung abgebaut.


Gleichzeitig gibt es einen ständigen Anreiz zu immer mehr Konsum und einen Schwall von immer bedrohlicheren Nachrichten. Unser Gehirn wird mit seinem evolutionären Betriebssystem also reichlich Futter an Gefahrenpotential finden, zumal es nicht in der Lage ist, reale Situationen von Filmen und Nachrichten zu unterscheiden. Auch Nachrichten sorgen für die Ausschüttung an Stresshormonen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Artikel „Doomscrolling“ im Fachportal, der die Auswirkungen auf uns beschreibt, wenn wir zu sehr in die negative Nachrichtenwelt abtauchen.
Hanson grenzt seine Methode vom vereinfachten „positiven Denken“ ab. Es geht nicht darum, negative Emotionen wegzumachen, sondern durch die bewusste Wahrnehmung von positiven Erlebnissen das Gehirn bewusst anzureichern, um damit zu einer inneren Stabilität und Unterscheidungsfähigkeit zu kommen. Aus innerer Ruhe und einer grundsätzlich positiven Einstellung zu sich und der Welt entstehen andere Handlungen als aus sinnbefreiter Panik.
Durch die Neuroplastizität unseres Gehirns, also der Fähigkeit, ständig neue Verknüpfungen zu bilden, verändert sich durch dieses Training die Hardware in unserem Kopf. Dies lässt sich auch durch Gehirnscans belegen. Glück wird durch die moderne Technik messbar.


Die Methode von Rick Hanson


Rick Hanson hat eine Methode entwickelt, in drei Schritten das Positive zu verinnerlichen.


1. Schritt


Verwandele positive Tatsachen in positive Erfahrungen. Um uns herum passieren immer wieder schöne Dinge, egal wie klein sie erscheinen mögen. Aber wir gleiten darüber hinweg und fühlen sie nicht, weil sie unserem Gehirn nicht wichtig erscheinen. Suche aktiv nach diesen schönen und angenehmen Dingen. Jemand ist nett zu dir, du entdeckst eine tolle Eigenschaft an dir, du hast ein Projekt oder eine Aufgabe abgeschlossen oder du siehst eins der vielen Wunder in der Natur. Öffne dich dafür und bringe ihnen ein achtsames Gewahrsein entgegen. Wie fühlt sich das an und wo spürst du es?


2. Schritt


Genieße die Erfahrung. Bleibe 5, 10 oder sogar 20 Sekunden mit deiner Aufmerksamkeit dabei und lasse dich nicht ablenken. Je länger die Erfahrung im Gewahrsein behalten wird, desto mehr feuern die Neuronen und bilden neue Verknüpfungen. Fokussiere dich auf deine Emotionen und spüre deinen Körper. Lass die Erfahrung auch deinen Körper füllen und so intensiv wie möglich sein. Wenn dich z.B. jemand freundlich anlächelt, kannst du das Gefühl von Zuneigung als Wärme in deiner Brust spüren und sich ausbreiten lassen. Genieße es bewusst, wenn dich ein geliebter Mensch in den Arm nimmt. Dadurch wird die Erfahrung verinnerlicht und du trägst sie in dir. Ein Gefühl von Erfülltheit kann sich immer mehr ausbreiten und du bist nicht mehr so darauf angewiesen, das immer wieder neu im Außen zu suchen.
Du siehst einen blühenden Baum oder eine Blume oder den Kristall einer Schneeflocke? Du spürst das Streicheln eines Windzugs auf deiner Haut? Lasse dich ein und genieße es, Teil eines größeren Wunders zu sein. Erlebe die Verbundenheit mit Allem und lasse diese Geborgenheit und Liebe dich und deinen Körper erfüllen. Denk daran, 10 – 20 Sekunden (oder länger) in diesem Gefühl zu bleiben.


3. Schritt


Werde eins mit dem Gefühl und dem Erleben, verschmelze damit, lasse es tief in deinen Geist und deinen Körper eindringen. Es ist, als wenn ein Schwamm sich mit Wasser vollsaugt oder du von Licht und Wärme durchdrungen würdest. Du kannst auch visualisieren, dass ein Juwel in deinem Herzen platziert wird. Finde heraus, wie es für dich am leichtesten geht und was dich in der Tiefe berührt. Sei kreativ und sei lieb zu dir selbst. Je intensiver die Erfahrung, desto leichter findet der Umbau in deinem Gehirn statt.


Rick Hanson empfiehlt, diese Schritte 5 bis 10 mal am Tag zu machen, jeweils 10 bis 30 Sekunden. Wenn du es ein paar Mal bewusst gemacht hast, geht es ganz leicht und integriert sich in deinen Alltag und dein Erleben. Die Welt verändert sich, weil sich dein Fokus ändert.


Fazit


Es ist eine sehr einfache Methode, innere Zufriedenheit, Glück und Entspannung zu fördern. Dadurch werden wir nicht zu realitätsfernen Idioten. Im Gegenteil. Viele Menschen haben etwas bewegt, weil sie das Gute in der Welt gesehen und daran geglaubt haben. Gandhi zum Beispiel glaubte unumstößlich an das Gute – und veränderte die Welt.
Es ist eine Einladung, die innere Brille zu putzen und mal anders in die Welt zu schauen. Mache dir bewusst, wie schnell etwas Negatives sich in dir festsetzt und dass du mit fünf (!) bewussten Minuten pro Tag dein System umprogrammieren kannst.


Meditation und Spiritualität unterstützen diesen Prozess und bekommen ihrerseits durch den Prozess eine andere Tiefe. Wer sich auf sich und alle Wesen völlig einlassen kann, verändert sich und seine Sicht auf die Dinge.

Quellenverweise


(1) Rick Hanson: Das Gehirn eines Buddha, Arbor Verlag GmbH
(2) Rick Hanson: Selbstgesteuerte Neuroplastizität. Arbor Verlag GmbH


 

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