Fehler sind unvermeidlich und ein natürlicher Teil des Lebens. Doch wie wir mit ihnen umgehen, kann den Unterschied zwischen Lähmung und Selbstzerstörung oder Wachstum und Erfolg ausmachen. Wir werfen einen blick darauf, was in deinem Gehirn passiert, wenn du einen Fehler machst, wie Scham und Kindheitsprägungen eine Rolle spielen, wie du konstruktiv mit Fehlern umgehen kannst und wie du dich vor Kritikern behauptest.
Thomas Alva Edison (1847 – 1931) war ein US-amerikanischer Erfinder, der bekannt wurde für die Konstruktion der ersten brauchbaren Glühbirne oder des Phonografen. Er schuf in New York das erste öffentliche Elektrizitätsnetz der Welt. Von ihm gibt es weit über 1000 Patente. Er war berühmt für seinen Umgang mit Fehlern und den Lernschritten, die er aus ihnen zog. Hier sind ein paar Zitate von ihm (1):
Was ist ein Fehler? Wer entscheidet das? Klar gibt es objektive Fehler. Ich sollte tunlichst nicht bei rot über die Ampel fahren oder in Flipflops auf die Zugspitze klettern. In der Evolution hat ein Fehler oder eine Fehleinschätzung einer Situation das Leben gekostet. Ein falscher Schritt oder Stolperer auf der Flucht vor einem Löwen bringt diesem eine leckere Mahlzeit. Nicht erkannt, dass das Wasserloch die Badewanne von Krokodilen ist? Letzte Fehleinschätzung und letzter Atemzug. Insofern ist unser Gehirn, das für unser Überleben zuständig ist, auf Fehlervermeidung programmiert.
Beim Menschen geht es nur noch selten ums nackte Überleben. Dafür sind Fehler mit emotionalen Bewertungen gekoppelt. Diese entstehen im Wesentlichen in unserer Kindheit, wo die Reaktion der „Großen“ oder der anderen Kinder darüber entschied, ob ein „Fehler“ eine Katastrophe, ein Lernschritt, eine Lächerlichkeit oder vielleicht eine angebliche böse Absicht war. Wurden wir ermutigt, es wieder zu versuchen, durften wir selbst etwas ausprobieren, unseren eigenen Erkenntnispfad finden? Wurde ein Drama daraus gemacht, wenn wir mal hingefallen sind? Wurden wir liebevoll getröstet und unterstützt, wenn etwas nicht geklappt hat? Wie sind unsere Eltern mit Fehlern umgegangen, wie war die Fehlerkultur in der Schule? Wurden wir ausgelacht und gehänselt, wenn wir etwas nicht gleich kapiert haben, gestottert haben oder einfach etwas nicht wussten?
All das hinterlässt Spuren in unserem Gehirn und unserer Persönlichkeit. Es entscheidet, wie wir an neue Aufgaben und Herausforderungen herangehen. Es ist unser Betriebssystem, der Filter, mit dem wir die Welt sehen – und uns in ihr.
„Fehler“ sind im Wesentlichen ein Entwicklungsschritt, eine Lernkurve, ein Wachstumspotential. Das Finden der optimalen Lösung für ein Problem oder schlicht der nächste Schritt auf dem Weg zur Lösung. Nicht mehr und nicht weniger. Mal klappt es und mal nicht. Wenn ich nach einem Versuch aufhöre, verpasse ich den möglichen Erfolg bei den nächsten Versuchen. Und manch ein Fehler entpuppt sich nachträglich als wahrer Segen.
Schimpansen benutzen lange Grashalme, um sie in ein Termitennest zu stecken. Die Termiten beißen sich an dem Grashalm fest, der Schimpanse zieht den vollen Grashalm wieder heraus und hat einen Schaschlik. Wie lange es wohl gedauert hat, diese Technik zu entwickeln?
Wenn du einen Fehler machst und dich selbst dafür verurteilst, aktiviert dein Gehirn das sogenannte Default Mode Network (DMN). Dieses Netzwerk ist für Selbstreflexion und Grübeln zuständig. Gleichzeitig wird die Amygdala aktiv, das Zentrum für Angst und Stress. Dein Körper schüttet Stresshormone wie Cortisol aus, das deine Fähigkeit, klar zu denken und rational zu handeln, beeinträchtigt.
Wenn Scham, Frust oder Angst dich im Griff haben, du Angst vor Bestrafung oder Abwertung hast, lähmt sich dein Gehirn von selbst. In diesem Zustand kann es eine Lösung nur schwer finden, der Antrieb ist eingeschränkt, Fehlervermeidung – und damit Vermeiden von Handlung – kann das logische Denken blockieren.
Scham ist ein mächtiges Gefühl, das tief in unserer Psyche verwurzelt ist. Wenn du in einer Umgebung aufgewachsen bist, in der Fehler hart bestraft wurden, neigst du eher dazu, dich selbst zu verurteilen. Dein Gehirn hat gelernt, dass Fehler gefährlich sind und vermieden werden müssen. Für diese Vermeidung wirst du dann auch wieder verurteilt, du kannst es scheinbar nur falsch machen. Ein Teufelskreis.
Evolutionär sorgt unser autonomes Nervensystem dafür, dass wir entweder im Kampf-Flucht-Modus sind und emotional aggressiv oder ausweichend reagieren („Lass mich doch in Ruhe!“ oder „Ich war’s nicht“). Oder der Freeze-Modus wird aktiviert, der Todstellreflex. Das fühlt sich an wie ein inneres Kollabieren, wie Lähmung und Erstarrung. Die Psychologie hat mittlerweile noch einen vierten Modus entdeckt, der „fawn response“ genannt wird. „Fawn“ bedeutet Rehkitz und „response“ Antwort. Bambi Reflex, Lächelreflex, People Pleaser… Alles Begriffe, die beschreiben, wie jemand lieb erscheinen will oder viel lächelt, obwohl ihm nicht danach ist. Man versucht alles, um zu vermeiden, dass jemand böse wird. Es ist ein Rollenspiel, geboren aus Verletzung und Traumatisierung. Keine gute Basis, um erfolgreich Neues auszuprobieren oder aus Fehlern zu lernen.
Es ist die große Angst, aus der „Herde“ zu fliegen, wenn man sich nicht anpasst. Evolutionär war der Schutz der Herde überlebenswichtig. Und evolutionär tickt unser Körper auch heute noch so, obwohl sich das körperliche Überleben zumindest in unserem Land auf ein emotionales Überleben verlagert hat. Auf rein hormoneller Basis passiert aber genau das gleiche. Es werden dieselben Stresshormone ausgeschüttet. Wer als Kind gelernt hat, dass ein Fehler zu Bestrafung oder Liebesentzug führt, will das nicht wieder erleben.
Wenn du hingegen aus deinen Fehlern lernst, aktiviert dein Gehirn das Belohnungssystem. Dopamin, das “Glückshormon”, wird ausgeschüttet, wenn du eine Lösung findest oder einen Fortschritt machst. Dies fördert ein Gefühl der Zufriedenheit und Motivation. Dein Gehirn speichert diese positiven Erfahrungen ab und nutzt sie, um zukünftige Herausforderungen besser zu meistern.
Wenn du eine innere Einstellung hast, dass Fehler Teil eines Wachstumsprozesses sind, aktiviert dein Gehirn den sogenannten präfrontalen Kortex, der zuständig ist für logisches Denken und das Lösen von Problemen. Dein Gehirn bleibt also fokussiert und entspannt, kann eine Situation analysieren, einen Fehler finden und Lernschritte ableiten. Dieser Vorgang fördert seinerseits neue Verbindungen im Gehirn, die deine Resilienz und dein Selbstbewusstsein stärken.
Wenn du dich selbst ermutigst, fördert das die Ausschüttung unseres Kuschelhormons Oxytocin, das für Vertrauen und Bindung sorgt. Eine konstruktive Kommunikation und ein Miteinander sind auch für das Lösen von Aufgaben wichtig, eine gesunde Fehlerkultur macht erfolgreicher. Wie können uns auf einer anderen Ebene verbinden, verschiedene Ideen und Erfahrungen ergeben ein neues Ganzes.
Was kannst du einem Mitmenschen erwidern, der dich wegen eines Fehlers kritisiert oder abwertet? Wichtig: Geh nicht auf seine Spielwiese. Ein niedriges Niveau wird nicht besser, wenn man sich dazu begibt.
Bleib ruhig und nutze die Kritik konstruktiv. Mögliche Antworten sind: „Danke für dein Feedback. Ich werde darüber nachdenken und sehen, wie ich es besser machen kann.“ oder „Ich bin auch nicht glücklich über die Situation, ich lerne daraus (evtl. bereits konkret was) und mache es beim nächsten Mal anders.“
Für unsachliche Kritiker: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht und ich lerne daraus. Nein, du redest nicht in diesem Ton mit mir.“ „Jeder macht Fehler, und es ist wichtig, wie wir damit umgehen. Auf dieser emotionalen/unsachlichen Ebene werden wir das Problem nicht lösen. Können wir jetzt konstruktiv weitermachen?“
Mach dir bewusst, dass der innere Kritiker, diese verurteilende innere Stimme, ein Echo aus deiner Kindheit ist. Das Kind konnte sich noch nicht wehren. Heute bist du erwachsen. Das Bewusstsein darüber, was da passiert und das Annehmen der Gefühle in dir helfen dabei, eine innere Distanz zu bekommen. Du wirst quasi zum Beobachter dieser Stimme, wie wenn du das laute Radio deines Nachbarn hörst. Du musst es heute nicht mehr ernst nehmen. Wenn ein „Ich Idiot!“ im Hirn auftaucht, nimm es zur Kenntnis, und überschreibe den Text. Nimm dir einen Moment, den Frust, Ärger oder die Scham da sein zu lassen. Und dann ermutige dich selbst. „Okay, das war nicht ideal, aber ich lerne daraus.“ Oder vielleicht etwas vom Dalai Lama: „Wenn du verlierst, verliere nie die Lektion!“
Du kannst dir ein Beispiel suchen, wo jemand sein Ziel erreicht hat und recherchieren, welche Fehler er gemacht hat auf diesem Weg. Wie zum Beispiel Thomas Edison mit seinen 10.000 Misserfolgen, bevor er die Glühbirne wirklich zum Leuchten brachte. Ohne diese 10.000 „Fehler“ wäre es heute vielleicht erheblich dunkler. Beispiele dafür gibt es aus vielen Bereichen. Wenn Fehler machen ein Thema für dich ist, kann es für dich hilfreich sein, dir bewusst zu machen, dass erfolgreiche Menschen immer Fehler machen. Erfolglose Menschen vermeiden Fehler.
Finde ein Ritual, einen Satz oder ein Zitat, das dich anspricht. Etwas Liebevolles und Ermutigendes, etwas, was dich anfeuert und dir Kraft gibt. Verknüpfe es mit einem Gefühl von Erfolg, das du schon mal erlebt hast. Wie hat es sich in der Vergangenheit angefühlt, wenn etwas gut geklappt hat? Übertrage dieses Gefühl auf dein „Problem“, auf den „Fehler“. Und dann fokussiere dich auf die Lösung. Lass das Problem los. Mache deine Lernschritte und gehe weiter. Immer weiter. Noch weiter.
Positive Selbstgespräche sorgen für die Ausschüttung von Serotonin, einem Hormon, das für Wohlbefinden und erhöhte Konzentration sorgt. Wenn wir konsequent für einen Monat jeden Tag freundlich zu uns sind, ermutigend und vertrauensvoll, verändert sich im Gehirn die Verdrahtung. Wir werden das, was wir denken.
Positiver und konstruktiver Umgang mit Fehlern sorgt für mehr gelöste Situationen. Sachliche Kommentare helfen uns zu lernen. Fehler können wertvolle Hinweise liefern. Durch Fehler kann uns bewusst werden, dass wir etwas verändern oder unser Ziel anpassen müssen.
Fehler sind unvermeidlich, aber wie du mit ihnen umgehst, liegt bei dir. Mit dem richtigen Umgang kannst du dein Gehirn neu verdrahten und an schwierigen Situationen wachsen. Deine Seele fühlt sich freier und leichter und das Leben mit seinen Herausforderungen macht viel mehr Spaß. Wenn dann eine Regenwolke kommt, haut dich das auch nicht um und du weißt, dass es hinter der Wolke immer eine Sonne gibt.
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